Mythos Vergangenheitsbewältigung

Rolf Peter Sieferle

Ausschnitte von Finis Germania
(Verlag Antaios 2017, S. 79-86)
ausgewählt von Andy Ross

Bei dem heute so populären Auschwitz-Komplex handelt es sich offenbar um den Versuch, innerhalb einer vollständig relativistischen Welt ein negatives Absolutum zu installieren, von dem neue Gewissheiten ausgehen können. Auschwitz bildet insofern einen Mythos, als es sich um eine Wahrheit handelt, die der Diskussion entzogen werden soll. Dieser Mythos hat allerdings einen wesentlich negativen Charakter, da dasjenige als Singularität fixiert werden soll, was nicht sein soll. Daher trägt die sich auf diesen Komplex stützende politische Bewegung auch einen negativen Namen: Antifaschismus.

Auschwitz oder die Nazis stehen innerhalb dieser ideologischen Figur für die totale Negation des Menschen, die einst historisch real geworden ist. Mit Hitler und seine Komparsen sind der säkularisierte Teufel und das Personal der Hölle leibhaftig auf der Erde erschienen. Dieser Teufel hat eine singuläre Tat vollbracht, die Massenvernichtung der Juden, welcher die folgende Bedeutung zugeschrieben wird: Es handelte sich um nicht geringeres als die praktische Negation des humanitären Universalismus.

Die Festschreibung des Auschwitz-Mythos kann daher als Versuch verstanden werden, einer skeptischen Welt Gewissheiten zurückzugeben. Allerdings sind diese letzten Gewissheiten nun selbst bloß historischer, d.h. faktischer, nicht etwa rationaler oder spiritueller Natur. Sie liegen in dem begründet, das die Gerichte als offenkundige Tatsachen bezeichnen, als Wahrheiten also, die nicht mehr des Beweises bedürfen. Es ist dies eine sensationelle Wende der europäischen Geistesgeschichte: Dreihundert Jahre Erkenntniskritik werden von einer historischen Offenbarung dementiert!

Das Projekt einer homogenen Menschheit wird so lange nicht verwirklicht werden, wie es nicht gelingt, die beiden hartnäckigsten Restposten völkischer Besonderheit ebenfalls zu assimilieren und damit zu eliminieren. Dieser Assimilation der Deutschen und Juden, ihrer Auflösung in bloße menschliche Individuen, steht jedoch die historische Struktur des Auschwitz-Mythos entgegen, dessen Kern ja gerade in der Rebellion des Besonderen gegen das Allgemeine liegt.

AR Irgendwie hat er recht: eine neue Offenbarung liegt hier vorhanden. Die genannte völkische Polarisierung könnte als Drehachse für die moralische Gleichschaltung der Menschheit dienen. Die Kreuzigung des Christentums werde dabei durch Völkermord ersetzt.

 

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